Freitag, 22. Juni 2012

Angekommen an Australia's East Coast


Da es uns von einem Backpacker empfohlen wurde, steuern wir in Cairns ein Hostel namens Northern Greenhouse an. Und tatsächlich - es ist gut und günstig, wohl eine der besten Unterkünfte, die man in dieser Gegend finden kann. Den ganzen Tag gibt es kostenlosen Tee und Kaffee, die Zimmer sind sauber und es gibt einen großen Pool, den wir aber leider nicht nutzen können, da es in Strömen regnet. Außerdem gibt es kostenloses Internet, Billiard und fast täglich irgendwelche Touren, die günstig angeboten werden.
Kaum sind wir angekommen, erfahren wir von einer Segeltour, bei der man heute für 15 Dollar mitmachen kann. Da wir in Australien sind, wo man schon für ein 6er-Dorm mal locker 25 Dollar blechen muss, erscheint uns dieses Angebot echt günstig und so melden wir uns schnell noch an und starten auch schon eine viertel Stunde später. Wir werden auf verschiedene Boote verteilt und sollen die nächsten 4 Std. mit der zugeteilten Crew verbringen, meinerseits ein Team von vier segelbegeisterten Rentnern und einer übergewichtigen 8jährigen, der man u.a. die Weisheit mit dem Löffel gefüttert hat. Am Anfang werden mir verschiedene Knoten erklärt (Kommentar der 8-Jährigen: „Also ICH hab diesen Knoten ja schon beim allerersten Mal richtig gemacht!“) und sonstige Grundlagen des Segelns erläutert. Und so stechen wir nach einer halben Stunde Einführung in See. Hochmotiviert und vollgepumpt mit Infos... ich bin bereit! Euphorisch winken Joi und ich uns zu. Unser erstes Mal Segeln! Yeah! Die Freude über die nächsten vier Stunden auf See ist uns wie ins Gesicht geschrieben.
Die ersten 10min machen eigentlich echt Spaß. Zieh mal an dem Seil, knote mal das da an, vorsicht wir drehen, huch jetzt gewinnen wir aber an Fahrt. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, die ersten Minuten sind spannend!! ….bis dann irgendwann ganz plötzlich der Wind abflaut. Unser erstes Segelerlebnis endet damit, dass wir die folgenden 3 Std. und 50 min. anschließend damit verbringen, uns ein Wettrennen mit den anderen fünf Segelbooten im Schneckentempo zu liefern. Der Wind ist so gut wie weg und denkt auch garnicht erst daran, wieder zu kommen. Wir bewegen uns mit gefühlten 2km/h vorwärts. Meine Rentnertruppe cremt sich eifrig mit Sonnencreme ein, obwohl die Wolken über uns immer dunkler werden. „Yes! Wir holen den Big Eagle (ein anderes Segelboot) gleich ein!“, freut sich einer und klatscht kichernd in die Hände. „Gleich“ ist in diesem Zusammenhang ein zeitlich sehr dehnbarer Begriff. Mit jeder Minute sinkt meine Euphorie und auch Joi sehe ich in 300m Entfernung konstant alle 5 Minuten herzhaft gähnen. Oh Gott, noch drei Stunden! Zu allem Überfluss fängt es nach einiger Zeit auch noch an zu nieseln. Aber meine Rentnercrew ist hart im Nehmen und segelt voller Elan weiter, ganz nach dem Motto: Man kann auch ohne Wind in den Segeln Spaß haben!
Da könnte man fast auf den Gedanken kommen, Segeln sei sterbenslangweilig. Zum Glück sollen wir demnächst aber noch ein anderes Segelerlebnis haben. Dazu bald mehr.
Abends spielen wir Billiard und ich gehe mit ein paar Leuten weg (Joi ist müde und geht schlafen). Mir fällt auf, dass alles schon wahnsinnig früh zumacht. Die Stimmung in den Clubs kann noch so gut sein (alle tanzen auf den Tischen), doch die Leute gehen schon um 1 oder 2 Uhr nach Hause. Die Clubs, die etwas länger offen haben (und dann auch nur ETWAS länger), lassen einen nach einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr rein, selbst wenn man nur eine rauchen wollte und seine Jacke inklusive den Leuten, mit denen man gekommen ist, noch im Club sind. Und da lässt der Security-Mann auch nur sehr ungern mit sich verhandeln. Er erzählt mir, dass er nach seiner Anweisung auch niemanden mehr reinlassen darf, der nur mal schnell zum Telefonieren nach draußen gegangen ist, auch wenn derjenige ja eigentlich einen Stempel hat. Macht das irgendwie Sinn? Ich bin verwirrt. Auch darf man in Australien – aber das ist ja eigentlich allgemein bekannt – keinen Alkohol auf der Straße trinken. Läuft jemand mit einer Bierflasche in der Hand am Gehsteig entlang, gibt’s also Ärger! Auch in der nächsten Zeit sollen wir noch öfter feststellen, wie viele Regeln es eigentlich in Australien gibt. Und wir dachten schon, Deutschland übertrifft alles. Aber nein, die Australier sind nochmal um einiges, naja, nennen wir es: organisierter.
Auch am nächsten Tag ist der Himmel grau und das Wetter relativ deutsch. Als der Regen später einmal eine ausgiebige Pause einlegt, erkunden wir Cairns, stellen aber bald fest, dass es in dieser kleinen tropischen Stadt garnicht so besonders viel zu erkunden gibt. Auch in Cairns laufen ziemlich viele Aboriginies herum, aber nicht so viele wie in Darwin. Das fällt uns vor allem deshalb auf, da wir in Perth so gut wie keinen zu Gesicht bekommen haben. Wir besuchen eine kleine Kunstgalerie von Aboriginies, chillen anschließend an einem öffentlichen „Schwimmbecken“ mit Meerwasser und genießen die Sonne, die plötzlich zum Vorschein gekommen ist.
Abends lerne ich ein paar Brasilianer kennen, mit denen ich feiern gehe bis unser Bus um halb 1 fährt. Wir verbringen die Nacht im Bus, was sowohl Zeit- als auch Übernachtungsgeld-sparend ist, und kommen am nächsten morgen in Airlie Beach an. Schon in den ersten paar Minuten fällt uns auf, dass ganz Airlie Beach aus Hostels, Restaurants, Bars, Kleidungsläden und Reisebüros zu bestehen scheint. Man fragt sich unwillkürlich, ob es hier überhaupt noch irgendwo Einheimische gibt, von Aboriginies ganz zu schweigen. Alles ist außerdem unglaublich teuer, was aber auch daran liegt, dass morgen Silvester ist und die Preise nochmal ordentlich hochgeschraubt wurden. Deshalb gestaltet es sich auch erstmal als Herausforderung, überhaupt noch irgendwo ein „günstigeres“ Zimmer zu ergattern.
Uns bleibt am Ende nichts anders übrig, als 35 Dollar pro Person für ein Doppelzimmer zu zahlen, das anscheinend das einzige noch verfügbare Zimmer weit und breit ist, aber vom Preis her im Gegensatz zu anderen Hostels noch einigermaßen geht. Die ausgelassene Partystimmung, in der hier jeder zu sein scheint, sorgt jedoch dafür, dass wir mit Leichtigkeit ein paar balinesische Armbändchen, Ohrringe und Geldbeutel am Strand verkaufen können und damit wieder ein bisschen Geld verdienen. Somit können wir den utopischen Übernachtungspreis gerade nochmal verschmerzen.
Da es anscheinend in Airlie Beach doch nicht so tolle Silvesterparties gibt, wie uns angekündigt wurde, die Touristenbüros aber mit allen möglichen Silvestertouren werben, schauen wir uns das mal genauer an. Als wir in einigen Büros nach noch verfügbaren Angeboten fragen, bekommen wir erst einmal nur mitleidige Blicke zugeworfen. Alles ist bereits ausgebucht. Wir überlegen, ob wir nicht doch weiter südlich fahren, da uns hier alles ziemlich aussichtslos erscheint. Doch dann, als wir garnicht mehr damit rechnen, haben wir unglaubliches Glück. Kurz nachdem wir uns nach einer Segeltour zu den Whitsundays erkundigt haben und schon gehen wollen, klingelt das Telefon. „Ich glaubs ja nicht“, meint die Angestellte und blickt uns ungläubig an, „gerade haben zwei Leute für diese Tour abgesagt.“ Wir überlegen natürlich nicht lange und buchen, schon allein deswegen, weil wir die Tour sogar für weniger als die Hälfte bekommen. Wir können unser Glück kaum fassen! Die Leute im Touribüro schütteln ungläubig den Kopf: „Diese Segeltour ist normalerweise schon Wochen vorher ausgebucht.“

Turtle Island


…. und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann hast du Weihnachten verpennt. Oder wie war das gleich?
Wir gönnen uns erstmal eine ausgiebige Dusche, um das Öl, das uns gestern Abend in Kombination mit anderen ungünstigen Faktoren (siehe unten) erfolgreich außer Gefecht gesetzt hat, vollständig abzuwaschen. Nachdem wir ein wenig durch Sanur und am Strand entlang gelaufen sind, um wieder Energie zu tanken, beschließen wir, uns an unserem letzten Tag auf klein Bali mal was zu gönnen. Ein schöner Abschluss, bevor es wieder zurück ins teure Australien geht – was für ein genialer Plan!
Gesagt, getan. Nach einigem Verhandeln am nächstgelegenen reisebüroähnlichen Touristand, an dem Tagesausflüge angeboten werden, sind wir auf dem Weg nach Turtle Island. Zugegeben, „Turtle Island“ (Schildkröteninsel) wirkt wie eine 100%ig touristische Tour und wir halten uns ja bekanntlich von solchen Ausflügen fern, um nicht in die nächste überteuerte Tourifalle zu tappen. Aber das wunderschöne Bild, mit dem geworben wird, überzeugt uns sofort: ein endloser Sandstrand, an dem gemächlich riesige Schildkröten entlang krabbeln. Es muss eine kleine unbewohnte Insel sein, an der das Gleichgewicht der Natur noch zu stimmen scheint, denn es soll dort hunderte von Riesenschildkröten geben. Inselidyll pur.
Die Fahrt dorthin soll mit einem Glass Bottom Boat (Boot mit Glasboden) unternommen werden. Wir erkundigen uns vorher noch beim Verkäufer, ob man denn auch viele Fische sehe. „Maaany fish“, meint der wild nickend, „many beautiful fish!“
Als wir nach zwei Stunden Fahrt dort angekommen sind und zum Boot gebracht werden, können wir uns ein lautes ironisches Lachen erstmal nicht verkneifen. Wie? Das kleine Ding soll ein Glasboden sein? Das Plastikguckloch im Boden des Bötchens wirkt ein wenig sinnfrei, denn man sieht das Wasser zum einen nur verschwommen-milchig, wenn man mal was sieht, denn zum anderen sieht man es den Großteil der Fahrt eigentlich garnicht, da der Bootsführer zu schnell fährt und sich nur unzählige kleine Blubberbläschen an der Scheibe sammeln. Das macht aber nichts, es scheint hier eh so gut wie keine Fische zu geben. Zu diesem Zeitpunkt unserer Tour kann uns jedoch noch nichts die Laune verderben – immerhin sind wir ja nicht vordergründig wegen den „many beautiful fish“ hier, sondern aufgrund der vielen Riesenschildkröten in freier Wildbahn.
Noch in ca. 200m Distanz vor der Insel fangen unsere schlimmsten Befürchtungen jedoch Stück für Stück an, Wirklichkeit zu werden. Schon aus einiger Entfernung sehen wir unzählige Boote, Touristenmassen, einen verdreckten Strand, Müll und Coladosen, Abtrennungen, hohe Zäune. Wir werden mit einer herzlich-falschen Freundlichkeit von einem Balinesen am Strand empfangen. Er heißt uns willkommen. Wir sollten ihm doch bitte folgen. Wir werden vorbei an einer überfüllten Bar mit lauter Musik und überteuerten Preisen zu einem kleinen umzäunten Strandabschnitt geführt, wo eine (!) Riesenschildkröte halb im Wasser liegt. Sie sieht irgendwie genervt aus, und krank. Kein Wunder, sie hat ja auch keine andere Wahl, als die Launen der Touristen über sich ergehen zu lassen. Es scheint keinen außer uns zu geben, der die Schildkröte mit Holzzaunhintergrund nicht für ein tolles Fotomotiv hält und so wird fotografiert und gepost, getätschelt, draufgesetzt, hochgehoben, hin- und hergezerrt, was das Zeug hält. Daneben sind einige kleine Becken angebracht, in denen noch junge Schildkröten kauern. Die zwei zusätzlichen Attraktionen des einzigartigen Turtle Island sind eine große Schlange, die es perfekt beherrscht, bei bis zu zehn knipsenden Kameras einen auf tot zu machen, und ein Affe, der es stundenlang schafft, aggressiven Weitsprung in einem 1x2x3m-Käfig zu machen.
Wir sind fassungslos, der Durchschnittstouri macht sein Foto mit der Riesenschildkröte, trifft sich anschließend mit seiner Gruppe in der Bar und scheint den Ausflug für höchst gelungen zu halten. Sind wir hier eigentlich die einzigen, die sich unter „Turtle Island“ mehr vorgestellt haben als ein paar eingezäunte Tiere und eine Bar?
Außerhalb dieses kleinen zooartigen Arials darf man sich auf der Insel nicht bewegen. Es gebe noch ein Schildkrötengehege 50m weiter, wird uns gesagt, da müssten wir aber zusätzlichen Eintritt bezahlen, denn das sei von einem anderen Anbieter.
Nach erfolgloser Suche nach irgendjemandem auf dieser Insel, den man für diese – wie wir es empfinden – Touriverarsche verantwortlich machen könnte, fahren wir mit unserem Bötchen mit Plastikguckloch zurück zum Bootsanleger. Jegliches Beschweren – wie wir nach einiger Zeit auch dort feststellen sollen – ist zwecklos. Wir werden weder unser Geld wiederbekommen, noch irgendetwas gegen Turtle Island ausrichten können, denn niemand fühlt sich verantwortlich und uns wird nur gesagt: „Was habt ihr für ein Problem? Es hat sich noch keiner beschwert, jeder mag den Ausflug nach Turtle Island.“ Und was will man dagegen sagen. Offensichtlich scheint das ja auch zu stimmen. Freudig strahlende Touristen kommen von der Insel zurück und werden gemäß Tagesplan ohne Murren zurück ins Hotel gebracht.
Nach einem kleinen Streit mit dem Mann, der uns die Tour verkauft hat, beschließen wir, Turtle Island eben Turtle Island sein zu lassen und widmen der Zeit, in der hunderte Riesenschildkröten noch frei am Strand herumkrabbeln konnten – wenn es irgendwann mal sowas gab – eine Gedenksekunde, um anschließend keinen Gedanken und keine Zeit mehr daran zu verschwenden.
Immerhin müssen wir unbedingt nochmal in unserem Lieblingsrestaurant in Sanur essen, bevor wir unsere Sachen packen und zum Flughafen nach Denpasar fahren - denn morgen verlassen wir das (abseits der Touristenziele) traumhafte Bali schon wieder... diesmal geht’s an die Ostküste Australiens!

Nachtrag:
Ach ja, beinahe hätte ich Kuta vergessen! Die kleine balinesische Stadt am südlichen Rand ist anscheinend bei allen Australiern (die wir treffen) der Inbegriff für Urlaub auf Bali. Also fahren wir von Sanur aus auch mal hin. Und haben das AHAAA-Erlebnis: da sind also die ganzen Touris!
In der Gegend um Kuta boomt der Tourismus wie nirgends sonst auf der Insel. Vor allem Australier sind vertreten - sie haben's ja auch nicht weit. Schon dauernd haben wir uns gewundert, wo denn die ganzen Bali-begeisterten Australier rumgurken, von denen uns berichtet wurde. Und die Antwort lautet: Kuta! Eigentlich kann man das Städtchen am Meer ganz einfach in drei Worten beschreiben: Feiern, Spaß und Party. (Inoffiziellerweise würde ich gerne noch magic mushrooms = magische Pilze in die Liste aufnehmen. Eine magische Geldvermehrung aufgrund der Pilze, die eine ähnliche Wirkung wie LSD haben, wird wohl dazu geführt haben, dass der Verkauf in Kuta zu einer Art eigenem Industriezweig mutiert zu sein scheint.)
Nach einer durchfeierten Nacht ging's zurück nach Sanur.