Irgendwie scheint es, als stehe unser Start in Australien unter einem schlechten Stern.
Alles faengt damit an, dass Joi das Flugzeugessen nicht so gut bekommt (vegetarisch war aus, und so gab es wohl das Uebriggebliebene vom Vortag). Kaum setzt das Flugzeug zur Landung an und die Signale zum Anlegen der Sicherheitsgurte leuchten auf, hechtet sie ungeachtet des hektischen Winkens der Stewardess in Richtung Flugzeugklo. Gerade noch rechtzeitig. Wir brauchen gar nicht zu erwaehnen, dass die Landung dieses Mal sehr turbulent und wacklig war (sogar extra vom Piloten angekuendigt). Kurz bevor das Flugzeug auf australischem Boden aufsetzt, stolpert Joi wieder aus dem kleinen Kabinenklo und erntet sogleich mitleidige Blicke von den Flugbegleitern. Sie gucken aber alle nur und bleiben angeschnallt. So kaempft sich Joi, wieder ungeachtet des mittlerweile hysterischen Winkens der Stewardess zum hinteren Teil des Flugzeugs und holt sich erstmal etwas zu Trinken, bevor sie sich wieder zurueck auf ihren Platz begibt...
Perth empfaengt uns mit Nieselregen, eisigem Wind und (fuer uns) kuehlen 18 Grad. Nachdem wir uns sehr willensstark eine Prepaidkarte (nein, nicht das Vertragspaket, das uns die Verkaeuferin eine halbe Stunde lang andrehen wollte) organisiert haben, versuchen wir gleich mal, unsere Couchsurferin E. zu erreichen. Vergeblich! Dass auch unsere weiteren Versuche erfolgreich bleiben sollen, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Immerhin hat sie uns ja schon so gut wie versichert, dass wir bei ihr schlafen koennen...
Froestelnd machen wir uns auf den Weg zum Bus Terminal. Erstes Ziel: Supermarkt. Es ist mittlerweile schon 4 Uhr nachmittags und wir (Joi noch nicht einmal) haben nur gefruehstueckt. Wir nehmen den naechsten Bus in die Stadt und marschieren in den naechstbesten kleinen Supermarkt. Zwischenzeitlich werden wir noch vom Busfahrer angemault, wir wuerden mit unseren Rucksaecken den Durchgang blockieren und sollten uns beeilen, er habe nicht ewig Zeit und sei eh schon spaet dran. Uns wird so richtig bewusst, dass wir nicht mehr in Afrika sind… Als wir im Supermarkt vor den Regalen stehen, trauen wir unseren Augen kaum. Die Preise sind vergleichbar zu denen in der Schweiz. 6 $ fuer ein Kaesesandwich, 2 $ fuer einen Apfel... hilfe! Wir haben doch bisher so unglaublich billig gelebt, wie soll unser Tagesbudget das ueberleben? Bescheiden wie immer beschraenken wir uns auf 2 Sonderpreis-Hoernchen und den billigsten Streichkaese. Inzwischen ist es kurz vor sechs und unsere Anrufversuche bei E. werden immernoch froehlich von ihrer Mailbox abgewimmelt.
Gut, dann muessen wir heute Nacht wohl doch auf ein Hostel ausweichen. Leichter gesagt, als getan. Wir fragen Passanten, klicken uns durchs Internet... aber alle Hostels scheinen ausgebucht zu sein! So wandern wir frierend, planlos und etwas verloren in Perth umher, um vielleicht doch noch irgendwo einen Schlafplatz zu finden. Als unsere Rucksaecke immer schwerer werden und es dann irgendwann auch noch anfaengt, zu regnen, sind wir sogar schon bereit, utopische Hostelpreise von 30$ fuer einen Dormplatz zu zahlen (wie wir es im Internet gesehen haben), hauptsache wir kommen ins Warme. Brrrrr… es ist einfach scheisskalt!
Schliesslich stossen wir auf eine Gruppe im Businessoutfit, von denen einer sogleich sein schickes I-Phone zueckt und bei einem naechstgelegenen Hostel anfragt... keine 2 min spaeter haben wir zwei Betten in einem Dorm, reserviert auf unseren Namen und bekommen den Weg auf googlemaps App gezeigt. Jippie!
Durchgefroren und muede tapsen wir die letzten Meter zum Hostel. Nachdem wir eine gefuehlte Ewigkeit an der Rezeption warten, weil irgendwas nicht funktioniert - die deutsche "Backpackerin" an der Rezeption ist etwas schusselig - haben wir endlich unseren Schlafplatz fuer nur 24 $. Im Zimmer riecht es zwar ziemlich muffig... aber egal, hauptsache wir koennen endlich schoen schlafen. Als wir allerdings unsere Rucksaecke auf den Betten abstellen, kriegen wir erstmal kurz die Krise. Sie sind uebersaeht von undefinierbaren Flecken, in Jois Bett finden sich lange rote Haare, und von wegen die Betten sind frisch bezogen - es gibt weder Spannbetttuch noch Bettlaken. Und das alles fuer nur 24 $! Woooohooooooo...... Zu allem Ueberfluss troepfelt die Dusche permanent und so mufft und schimmelt der grosse nasse Fleck auf dem Teppichboden vor dem Bad gemuetlich vor sich hin. Nun gut, wir sind trotzdem froh, ein Dach ueber dem Kopf zu haben und sind ja aus Afrika auch schon einiges gewohnt.
Doch dann geht die Tuer auf - und hereinspaziert kommt die wohl skurrilste Gestalt, die wir je zu Gesicht bekommen haben. Eine hagere Frau, Alter irgendwas zwischen 40 und 50. Sie traegt ihre Jeans auf links, dazu einen viel zu grossen silberen Glitzerguertel und eine Baseball Cap. Ihr knallroter Lippenstift “umrandet” ihre Lippen grosszuegig. Ohne sich vorzustellen, quasselt sie einfach mal drauf los und erzaehlt uns irgendwelche wirren Geschichten. Als wir nach unten gehen, um uns in der Hostelkueche etwas zu essen zu machen und ein bisschen Blog zu schreiben, merken wir, dass sie anscheinend einen grossen Redebedarf hat, denn sie verfolgt uns auf Schritt und Tritt, um uns irgendwas zu erzaehlen, was niemanden interessiert. Dabei holt sie gelegentlich ein kleines Flaeschchen aus ihrer Handtasche und trinkt ein zwei Schlucke. Aha, daher also die Fahne. Zuerst kommt sie mir betrunken vor, dann denke ich, dass sie wahrscheinlich irgendwelche psychotrope Substanzen konsumiert hat, dann bin ich mir sicher, sie muss schizophren sein... als ich dann aber irgendwann allein mit ihr im Zimmer bin, da Joi mal kurz nach unten an die Rezeption verschwunden ist, wird es mir schlagartig klar: sie ist verrueckt! Ich bin mit einer Irren im selben Raum.... oh Gott. Sie traegt meine Jacke. "Schoene Jacke", meine ich nur. "Danke", sagt sie, "die ist schon alt." Als ich ihr klarmache, dass es meine ist, erschrickt sie, wirkt ploetzlich wie eingeschnappt und schmeisst sie vor mir auf den Boden. Ich versuche mich nicht aufzuregen und will sie gerade wieder in die Tasche packen, da faellt mir auf einmal ein kleines schwarzes Taeschchen in die Haende, voll mit klebrigen, verschmierten Schminkutensilien und unechten Wimpern. Was hat das in meiner Tasche zu suchen? Ich frage sie mehrmals, ob es ihres ist - und sie wird zornig, schreit mich schon beinahe an, quasselt wirres Zeug... dass sie noch nie etwas geklaut habe, Gewalt finde sie ganz schlimm, sie fuehle sich solidarisch gegenueber behinderten Menschen, vor 7 Jahren habe sie einen schweren Unfall gehabt, sie wolle mir einen Cowboyhut schenken.... und ich solle mich doch freuen, dass ich etwas in meiner Tasche finde. Besser als wenn etwas fehlen wuerde, oder nicht? 5min spaeter wird ihr anscheinend bewusst, dass es sich doch um ihr Taeschchen handelt und sie besteht darauf, es sofort wieder zu bekommen. Wo bleibt Joi nur? Kurz darauf steht sie wieder vor mir, haelt einen kleinen Zettel in der Hand. Ich traue meinen Augen kaum... es ist eine Quittung, die sich normalerweise bei meinen wichtigen Dokumenten befindet. Ich solle doch meine Sachen nicht so rum liegen lassen, den Zettel habe sie komischerweise in ihrer Tasche gefunden. (Nur zur Info: nein, meine Sachen waren nicht einfach so rumgelegen, sondern eigentlich sicher verpackt, und auch nur ein paar Minuten unbeaufsichtigt...) Jetzt reichts mir! Mit dieser Frau schlafe ich nicht in einem Zimmer. Die anderen Backpacker, die heute Nacht auch in diesem Dorm schlafen wollen, haben sie bereits kennengelernt und jeder ist sich einig - wenn sie bleibt, gehen wir. Das Problem ist nur: Alle Zimmer sind ausgebucht. Und so soll es noch eine lange Nacht werden.....
Die Deutsche an der Rezeption, die heute ihren ersten Arbeitstag in diesem Hostel hat und komplett mit der Situation ueberfordert ist, ruft die Polizei. In den darauffolgenden zwei Stunden werde ich befragt, wir sitzen und stehen eine Ewigkeit rum und nichts passiert. Irgendwann mitten in der Nacht tauchen andere Backpacker auf, die noch keinen Schlafplatz gefunden haben und sich nun auf den Weg zum naechstgelegenen Mc Donalds machen wollen (als letzte Moeglichkeit, die Nacht im Warmen zu verbringen..). Nachdem die Polizisten eine Ewigkeit die Verrueckte verhoert haben, gehen sie. Sie koennen da jetzt auch nix machen, heisst es. Und so kommt es, dass wir uns um drei Uhr nachts mit den anderen auf den Weg zu Mc Donalds machen (natuerlich nicht, ohne unser Geld wieder zu bekommen). Joi, die Glueckliche, hat im Gegensatz zu mir schon im Flugzeug geschlafen und legt sich im Mc Donalds erstmal fuer 2 Stunden in eine ruhige Ecke, ausgeruestet mit Ohrstoepseln und Schlafmaske. Ich bin zwar todmuede, passe aber aufs Gepaeck auf, da ich - vom Jetlag gepraegt - eh nicht schlafen kann.
Am naechsten Tag meldet sich die Couchsurferin E. um vier Uhr nachmittags und entschuldigt sich. Sie habe ihr Handy irgendwo vergessen.... wir koennen die naechsten zwei Naechte bei ihr uebernachten. Nachdem wir total k.o. bei ihr angekommen und noch von zwei anderen Backpackern aus Frankreich begruesst worden sind, wollen Joi und ich (mit meinem neuen Rekord von 37 Stunden ohne Schlaf) nichts anderes mehr als endlich zu schlafen ...
Was mir spaeter auffallen soll: Vor dem Verlassen des Hostels habe ich zwar (wegen der verrueckten Frau) all meine wichtigen Dokumente nochmal gruendlich durchsucht, damit auch wirklich nichts weiter abhanden gekommen ist. Auf fehlende Kleidung habe ich allerdings nicht geachtet... mein schwarzer Rock und (wer macht denn sowas?) die Haelfte meiner Unterwaesche ist seitdem spurlos verschwunden.